Phytotherapie: Therapie mit Heilpflanzen

Phytotherapie – eine Therapieform mit langer Geschichte

Die Phythotherapie oder Pflanzenheilkunde gehört neben der Mykotherapie zu den ältesten Heilverfahren. Ihre Tradition reicht zurück in die Frühzeit der Menschheit. Spätestens seit dem Altertum ist sie verbunden mit Persönlichkeiten, welche die Pflanzenheilkunde geprägt haben:

  • Hippokrates (5. Jh. v. Chr.) gab in seinem Werk „corpus hippocraticum“ genaue Anweisungen für die Verwendung pflanzlicher Heilmittel.
  • Galen (129-200 n. Chr.) stellt eine Verbindung zwischen Pflanzen und deren pharmakologischen Wirkungen dar, zudem ordnet er den Pflanzen unterschiedliche Qualitäten zu.
  • Karl der Große (747-814) verfügte Klostergärten mit Heilkräutern anzulegen.
  • Walahfridus Strabo (809-849), Abt des Klosters Reichenau (Bodensee), beschreibt im Gedicht „Hortulus“ die medizinische Verwendung von Heilpflanzen.
  • Hildegard von Bingen (1098-1179) hat mit ihren Werken „Physica“ sowie „Causae et curae“ die Heilpflanzenkunde nachhaltig geprägt.
  • Paracelsus, alias Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493-1541) nutzte vorwiegend die Kraft von Heilpflanzen, wobei ihm „alle Wiesen und Matten, alle Berge und Himmel“ Apotheke waren.
  • Zuletzt sei in dieser exemplarischen Aufzählung Friederich-Wilhelm Serthürner (1783-1841) genannt, dem es 1805 gelang, aus Mohn das „schlafmachende Prinzip“, später Morphin genannt, zu isolieren.

Bis heute stammen eine Vielzahl moderner Arzneien direkt oder in abgewandelter Form von Pflanzen ab, so z. B. das Gichtmittel Colchicin aus der Herbstzeitlosen (colchicum autumnale), die Herzmittel mit Digitalisglykosiden aus den Blättern des roten und wolligen Fingerhuts (digitalis purpurea, digitalis lanata) sowie das Schmerzmittel Asprin, dessen Wirkstoff Acetylsalicylsäure auf die Weidenrinde (Salicis cortex) zurückgeht.

Bedauerlicherweise drängte die moderne Medizin die Heilpflanzenkunde in den Hintergrund. Je mehr Medikamente sich chemisch herstellen ließen, desto mehr ging das Wissen um die Wirkung der Heilpflanzen verloren.

Breitbandige Wirkung und Nebenwirkungen der Heilpflanzen

Die Phythotherapie ermöglicht einen ganzheitlichen Behandlungsansatz indem sie eine Stärkung der Selbstheilungskräfte, die sogenannte Salutogenese, miteinbezieht und unterstützt. Dabei setzt die Wirkung der pflanzlichen Heilkräfte sanft und teilweise verzögert ein.

Die Verwendung der richtigen Heilpflanzen vorausgesetzt, zeichnet sich die Phythotherapie durch gute Vertäglichkeit aus. Nur weil etwas pflanzlich oder natürlich ist, ist es nicht frei von Nebenwirkungen. Dieses Missverständnis herrscht leider immer noch zu oft vor. Die Verabreichung von Heilpflanzenpräparaten ist allerdings nicht in jedem Fall unbedenklich, da sie die Wirkung anderer Arzneimittel vermindern oder verstärken können.

Nebenwirkungen treten mit wenigen Ausnahmen (z.B. Johanniskraut) kaum, allenfalls mit geringer Ausprägung auf. Es wäre jedoch verfehlt, die Pflanzenheilkunde als harmlos zu bezeichnen. Denn einige Heilpflanzen sind nur auf den ersten Blick ungefährlich. Viele Pflanzen können in bestimmten Dosen heilen, in anderen Dosen hingegen großen Schaden anrichten. Einige sind hochgiftig, wie z.B. Fingerhut, Tollkirsche oder Stechapfel.

Die Wirksamkeit und Intensität der Inhaltsstoffe von Heilpflanzen unterliegen natürlichen Schwankungen, abhängig z.B. von Standort, Lichtverhältnissen, Klima, Ernte oder Lagerung. Die besondere Wirksamkeit natürlicher Heilpflanzen wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass sie eine Mischung verschiedener Wirkstoffe in sich vereinen. Dazu zählen zum Beispiel: ätherische Öle, Alkaloide, Anthranoide, Bitterstoffe, Cumarine, Flavonoide, Gerbstoffe, Glykoside, Saponine und Schleimstoffe. Somit bilden Pflanzen eine hohe Komplexität an Wirkstoffen, daher unterstützen sie den Organismus in der Regel breitbandiger und modulierter als schulmedizinische chemische Monopräparate.

Darreichungsform von Heilpflanzen

In der Pflanzenheilkunde werden ganze Pflanzen oder Pflanzenteile (Blüten, Blätter, Früchte, Samen, Stängel, Rinden, Wurzeln) verwendet, einiges davon frisch, der überwiegende Teil getrocknet. Wichtig ist dabei, dass auch der tatsächlich den Wirkstoff enthaltende Pflanzenteil verwendet wird. Das ist leider, z.B. aufgrund von Wirtschaftlichkeitserwägungen der Hersteller, nicht immer der Fall. Zur Anwendung kommen sie beispielsweise als Tee, Saft oder Tinktur, zu Tabletten gepresst, als Badezusätze, in Salben oder Cremes.

Über viele Pflanzen liegen Studien und wissenschaftliche Nachweise vor (s.u.). Darüber hinaus existieren zahlreiche Phytotherapeutika, die nicht oder kaum wissenschaftlich untersucht wurden. Viele von ihnen haben sich aber über Jahrhunderte in der Naturheilkunde bewährt und werden aus diesem Grund auch heute noch so angewendet wie eh und je.

Die Phytotherapie hat ein breites Anwendungsfeld

Bei zahlreichen Indikationen ist Phytotherapie einsetzbar. Häufig alleinige Therapie, sehr gut jedoch auch ergänzend zu anderen Therapieformen. Typische Anwendungsbereiche sind beispielsweise die folgenden:

  • Atemwegserkrankungen (akut und chronisch)
  • Erkältungskrankheiten, z.B. grippaler Infekt
  • Gallenerkrankungen, z.B. Stau des Gallenfluß
  • Herz-Kreislaufbeschwerden, z.B. Blutdruck-Regulationsstörungen
  • Förderung der Immunabwehr, z.B. bei älteren oder gestressten Menschen, wären der Schwangerschaft
  • Klimakterische Beschwerden, z.B. Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, innere Unruhe
  • Lebererkrankungen, z.B. Fettleber
  • Magenerkrankungen, z.B. Reizmagen
  • Rheumatische Erkrankungen, z.B. rheumatoide Arthritis
  • Stoffwechselerkrankungen, z.B. Diabetes mellitus, Gicht
  • Urogenitalerkrankungen, z.B. Harnwegsinfekte, Menstruationsbeschwerden
  • Vegetative Zustände, z.B. Erschöpfung, Schlaflosigkeit
  • Verdauungsbeschwerden, z.B. Verstopfung

Bestimmte Kräuter enthalten Bitterstoffe, die über nervliche Reize auf das psychovegetative Nervensystem wirken. Schleimstoffe schützen und heilen entzündlich veränderte Schleimhäute, erleichtern den Stofftransport, wirken als Puffersubstanzen im Magen. Mineral- und Vitalstoffe gleichen Mangelzustände aus und verbessern somit die Vitalität. Das Keimwachstum hemmende Stoffe haben Einfluss auf Infektionen und Besiedelungen mit Bakterien oder Viren.

Anwendungsformen der Phytotherapie

Pflanzen gedeihen nicht von jetzt auf gleich, es dauert, bis sich heilwirksame Stoffe in Pflanzen ausbilden. Gleiches gilt für die Phytotherapie: zumeist dauert es etwas länger, bis die erwünschte Wirkung erfolgt. Nicht selten dauert es bis zu drei Wochen, bis deutliche Linderung einer Beschwerde eintritt. Da die pflanzlichen Substanzen die Selbstheilungskräfte des Menschen unterstützen, kann eine ausreichende Dosierung über längere Zeit erforderlich sein, um zu einer dauerhaften Gesundung beizutragen.

Die häufigste Anwendung der Heilpflanzen ist die Teerezeptur. Sie ist die einfachste Art, Heilmittel zuzubereiten. Kräutertees sind bei akuten und chronischen Beschwerden hilfreich. Ein Nachteil des Tees ist allerdings die jeweilige Dosierung. Sie ist ungenau, und es gibt keine Standardisierung.

Bei der Verwendung von Frischpflanzen kann man den Saft aus ihnen oder ihren Früchten auspressen, ausgeschiedene Sekrete verwenden, Pflanzenteile destillieren oder ölige Auszüge herstellen. Blüten oder Früchte werden in Öl, z.B. Oliven- oder Mandelöl, eingelegt, um die in ihnen enthaltenden Stoffe in das Öl „herüberzuziehen“.

Schließlich werden Drogen oder Extrakte aus Heilpflanzen gewonnen. Drogen werden durch Trocknung von ganzen Pflanzen oder Pflanzenteilen wie Blüten, Blätter, Wurzeln oder Samen hergestellt. Aber auch Öle, Harze und Wachse, die keine Zellstruktur mehr aufweisen, gehören dazu. Extrakte entstehen dadurch, dass den getrockneten Pflanzen spezielle Extraktionsmittel zugesetzt werden. In Alkohol oder auch Wasser lösen sich die Inhaltsstoffe. Sie werden dann durch spezielle Verfahren, z.B. Verdampfen des Extraktionsmittels, konzentriert. Die so entstandenen Trocken- oder Spezialextrakte können dann weiterverarbeitet werden. So werden Kapseln, Säfte oder Dragees hergestellt, die eine standardisierte Menge an entsprechender Substanz enthalten.

Bei der Verabreichung von verarbeiteten Heilpflanzen ist sicherzustellen, dass die richtigen Pflanzenteile verwendet werden und dass Pflanzen bzw. Produkte (z.B. bei Kapseln) von gleichbleibender Qualität und Reinheit verwendet werden. Dass die Rohstoffe ausgereift, aus nachhaltigem Anbau sein sollten, versteht sich von selbst, ist aber leider nicht die Regel. Wir verwenden daher bevorzugt phytotherapeutische Produkte von ausgewählten Herstellern, die wir persönlich kennen und deren Philosophie der unseren entspricht.

Insgesamt gesehen ist die Pflanzenheilkunde bei vielen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen in ihrer heutigen Kombination einzusetzen. Die klassische Erfahrungsheilkunde und die Ergebnisse der modernen Forschung über Heilpflanzen sind einmütig zusammengefügt. Diese Heilweise kann als oft ausreichend wirksame und zumeist gut verträgliche Alternative zu chemisch-synthetischen Arzneimitteln eingesetzt werden. Sie erfreut sich hoher Anerkennung und Wertschätzung durch Patienten und Ärzte.

„Mit jedem Schritt und Tritt, welchen wir in der Natur machen, begegnen wir immer wieder neuen Pflanzen, die für uns höchst nützlich und heilbringend sind.“ Sebastian Kneipp

Sollten Sie weitere Fragen zur Anwendung der Phytotherapie haben, so steht Ihnen das Team der equalance Naturheilpraxis gerne zur Verfügung.

 

Literatur
  • Bäumler, S.: Heilpflanzenpraxis Heute. Portraits, Rezepturen, Anwendungen. Bd. 1 und Bd. 2, 2. Aufl., Elsevier, Urban & Fischer, München 2013
  • Bühring, U.: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. 3. Aufl., Sonntag, MVS Medizinverlage, Stuttgart 2011
  • Bühring, U; Ell-Beiser, H.; Girsch, M.: Arbeitsheft moderne Heilpflanzenkunde. Haug, MVS Medizinverlage, Stuttgart 2010
  • Kalbermatten, R.: Wesen und Signatur der Heilpflanzen. Aarau 2010.
  • Lewis, W.H., Elvin-Lewis, M.P.F.: Medical botany – plants affecting man’s health. New York 1977.
  • Fintelmann, V.; Kuchta, K.: Lehrbuch der Phytotherapie. 13. Aufl., Hippokrates, MVS Medizinverlage, Stuttgart 2016
  • Grünwald J, Jänicke C.: Grüne Apotheke. Gräfe und Unzer, München 2015
  • Holm, G., Herbst, V.: Botanik und Drogenkunde. Stuttgart 1998.
  • Schilcher, H., Kammerer, S.: Leitfaden Phytotherapie. 5. Aufl., Elsevier, Urban & Fischer, München 2016
  • Wenigmann, M.: Phythotherapie, Arzneidrogen, Phythopharmaka, Anwendung. Elsevier, Urban & Fischer, München 2016.
  • Wiesenauer M.: PhytoPraxis, Springer, Berlin 2018.

 

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